Bootstour zum höchsten Wasserfall der Welt

Einer der unbestrittenen Höhepunkte einer Reise durch Venezuela ist die Erkundung des Canaima Nationalparks im Südosten des Landes. Rund um Canaima verführen gigantische Wasserfälle, uralte Tafelberge und die idyllische Lagune. Auf einer Bootstour den Rio Carrao flussaufwärts, beeindruckt die einzigartige Szenerie mit Tafelbergen, welche aus dem üppigen Dschungel ragen. Der Star des Nationalparks ist der Salto Angel, der höchste Wasserfall der Welt.

Highlights

  • Flug mit dem Buschpilot
  • Bootsfahrt durch den venezolanischen Dschungel
  • mächtige Tafelberge «Tepuis»
  • Salto Angel der höchste Wasserfall der Welt
  • grandiose Szenerie im Canaima Nationalpark

Canaima Nationalpark

Der Canaima Nationalpark erstreckt sich über 30’000 km2 im Südosten Venezuelas entlang der Grenze zwischen südamerikanischen Staaten Guyana und Brasilien. Etwa 65% des Parks sind von Tafelbergformationen (Tepui) bedeckt. Die Felspfeiler der Tepuis mitten in der üppigen Vegetation des Regenwaldes bilden eine spektakuläre Kulisse. Dazu die steilen Klippen und Wasserfälle. Das schiere Ausmaß des gigantischen Salto Ángel, dem mit 979 m höchsten Wasserfall der Welt, wird einem erst bewusst, wenn man selbst davor steht.

Fluss und Urwald im Canaima Nationalpark
Aufnahme aus dem Flugzeug: Fluss und Urwald im Canaima Nationalpark im Süden von Venezuela.

Beste Reisezeit

  • Regenzeit: Juni bis Dezember. Die besten Bedingungen für die Exkursion herrschen in der Regenzeit. Genügend Wasser vereinfacht das Navigieren der Boote und der Wasserfall zeigt sich von seiner imposantesten Seite. Tiefhängende Nebel- und Wolkendecken können dafür den Spaß verderben.
  • Trockenzeit: Januar bis Mai. Wenn der Wasserstand tief ist, können die Boote die Flüsse nicht befahren. Der Wasserfall führt weniger Wasser und wirkt bei weitem nicht so imposant. Dafür liegen die Chancen höher einen wolkenfreien Blick auf das Naturwunder zu werfen und du kannst am Fuße des Wasserfalls baden.

Abenteuerliche Anreise

Der Salto Angel liegt tief verborgen im venezolanischen Urwald. Das Unterfangen den höchsten Wasserfall der Welt zu besuchen, ist mit einer sehr abenteuerlichen Anreise verbunden. Da keine vernünftige Verbindungsstraße existiert, ist das Flugzeug die einzige Transportmöglichkeit und erhöht nebenbei den Reiz der Tour ungemein.

Südamerikanisches Flugzeug im Anflug
Südamerikanisches Flugzeug im Anflug auf Canaima.

Flug nach Canaima

In Ciudad Bolivar borden wir ein 6-plätziges Kleinflugzeug und segeln damit über den weitläufigen Dschungel in die Ortschaft Canaima. Nur schon die Anreise weiß zu begeistern. Einfach faszinierend wie der Buschpilot mit dem kleinen Flieger elegant durch die Luft steuert. 

Kaum sind wir auf der Schotterpiste gelandet, werden uns unsere Rucksäcke gleich in die Hände gedrückt und wir zotteln damit von dannen, auf der Suche nach einer Unterkunft.

Expeditionsteam

Am nächsten Morgen sind wir mit unserem Tourguide verabredet. Am vereinbarten Treffpunkt erwartet uns ein etwa 17-jähriges Mädchen. Wir dachten, sie führe uns nun zu ihrem Vater oder dergleichen. Aber nein, Teenager Maury ist unser Guide. Und gleich vorweg, sie macht trotz des jugendlichen Alters einen bravourösen Job, alles klappt vorzüglich.

Sie führt uns an den Fluss runter, an den Rio Carrao. Ein längliches Einbaumboot, von der lokalen Bevölkerung «Curiara» genannt, ist bereits abfahrbereit. Neben uns beiden Welt Explorer sind noch vier weitere Reisende mit von der Partie. Der wuchtige Außenbordmotor heult ungeduldig auf, das Abenteuer kann beginnen.

Der Maschinist, wie der Mann am Motor frei übersetzt genannt wird und der auf dem Bug sitzende Paddel- und Steuermann, wechseln während den ganzen drei Tagen kaum ein Wort mit uns. Maury erklärt uns, dass sie nur ihren indigenen Dialekt der Pemón sprechen und kaum Spanisch. Vielleicht auch deshalb akzeptieren die beiden die junge Maury als verantwortliche Wortführerin.

Boot im Fluss im Regenwald
Boote im Fluss mitten im venezolanischen Regenwald.

Bootsfahrt zu den Tafelbergen

Wir decken das Gepäck und den Proviant mit einem Plastik ab, um es gegen die unablässigen Spritzer zu schützen. Somit werden nur wir Passagiere nass. In rasanter Fahrt kurven wir den Rio Carrao flussaufwärts, mitten durch den üppigen Amazonas Regenwald.

Die Region ist gespickt mit Tafelbergen, senkrecht aufsteigende Sandsteinformationen mit einem flachen Deckel darüber. In der Sprache der Pemón heißen sie «Tepuis», was nichts weiter als Berg bedeutet.

Durch die totale Isolation gedeihen angeblich über 1000 sonst vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten auf den Tepuis. Ein Phänomen, welches auch vom Tafelberg bei Kapstadt im südlichen Afrika bekannt ist.

Auf dem Rio Churrún

Bei einer Gabelung der Wasserläufe biegt der Kapitän in den deutlich weniger wasserreichen Rio Churrún. Mit viel Geschick muss er die Untiefen bei den Stromschnellen umgehen. Dabei beschleunigt er kurz vor der steinigen Passage, hebt den Motor aus dem Wasser und sobald wir die Stromschnelle passiert haben, senkt er ihn wieder. Wichtig ist danach wiederum viel Power zu geben, sonst droht das Boot von der Strömung heruntergerissen zu werden. In den trockenen Monaten Januar bis Mai ist es bisweilen gar nicht möglich auf dem Rio Churrún zu navigieren.

Tepuis Tafelberg im Canaima Nationalpark
Die in Venezuela «Tepuis» genannte Tafelberge auf der Bootstour im Canaima Nationalpark.

Teufelsschlucht

Ich beobachte fast wie in Trance das vorbeiziehende Flussufer und lasse philosophische Gedanken über das Leben und Reisen freien Lauf. Langsam aber sicher dringen wir tiefer in den «Cañón del Diablo» (Teufelsschlucht) ein und der gelblich-rote Fluss wird immer enger. Endlich ist es soweit, in der Ferne können wir den ersten Blick auf den Salto Angel erhaschen.

Die Geschichte mit dem Engel

Die Kaskade wurde gar nicht nach einem Engel als himmlische Kreatur benannt, wie man vielleicht annehmen könnte. Der Name stammt von einem Buschpiloten aus Nordamerika, Jimmie Angel, welcher auf der Suche nach Gold auf der Oberfläche des Auyantepui, einem der mächtigsten Tafelberge landete. Wie das Schicksal es wollte, konnte er nicht mehr abheben und nur mit viel Glück schaffte er nach einer 11-tägigen Odyssee die Rückkehr in die Zivilisation.

Salto Angel der höchste Wasserfall der Welt

Der Bootsmotor verstummt und wir gleiten scheinbar zufällig ans Ufer. Wir klettern aus dem «Curiara». Ab hier setzen wir den Weg zu Fuß fort. Auf einem matschigen Pfad dringen wir durchs Dickicht bis zur Lagune unter dem Wasserfall.

Vom Dach des Tafelbergs Auyan-Tepui (Berg des Gottes des Bösen) stürzen die Wassermassen des Salto Angel hinab in die Tiefe. Mit 979 m ist er der höchste Wasserfall der Welt.

Je nach Saison verkommt das Wasser durch den Einfluss des Windes eher zu einem Sprühregen, zerstäubt in Millionen von glitzernden Tropfen. Es sammelt sich jedoch am Fuße der Felswand wieder und stürzt über eine weitere Felsstufe nochmals in die Tiefe, um in einer kleinen Lagune zu landen.

Ein erfrischendes Bad im Engelswasser darf natürlich nicht fehlen. In der Lagune auf dem Rücken liegend, den Blick gegen oben gerichtet, kommt die Größe des Naturphänomens und die Höhe des Angel Falls erst so richtig zur Geltung.

Wasserfall Salto Angel in Venezuela
Der Salto Angel in Venezuela ist mit 979 m der höchste Wasserfall der Welt.

Nachtlager mit Yucca-Schnaps

Als wir uns auf den Weg ins Camp machen, hat die Abenddämmerung bereits eingesetzt. Die Trekking Route führte uns in einer guten Stunde zurück an den Fluss, an dessen Ufer unser Nachtquartier «Campamento Kavac» liegt. Über dem Feuer brutzeln bereits drei Tierkörper, welche gemäß dem Grill-Meister jüngst gejagte Geier sind. Was zum Geier es auch immer gewesen sein mag, geschmeckt hat es ausgezeichnet.

Zum Nachtisch wird ein Yoghurtbecher herumgereicht, mit einer mit Wasser verdünnten, fermentierten Masse aus der Yucca Pflanze. Die wahrscheinlich durch das alkoholhaltige Wundergetränk beeinflusste Maury erzählt uns bei Kerzenschein die Anekdote vom Riesenhamster namens Lapa, welchen sie als kleines Mädchen mit einem Stock erschlagen musste, weil ihr Vater das Tier mit seinem Gewehrschuss nur streifte. Oder die folgende Legende ihres Pemón Stammes.

Warum das Stinktier stinkt

«Ein damals noch gar nicht stinkendes Tier wurde beim Überqueren eines Baches von einem Fisch verschlungen. Doch schaffte es der Fisch einfach nicht dieses Tier zu verdauen. Es fing in seinem Magen an zu modern und stinken. Nach einigen Tagen wurde der Geruch so unerträglich, dass der Fisch es wieder ausspucken musste. Das Stinktier war geboren. Bis zum heutigen Tage leiden die neuen Generationen aufgrund dieses Abenteuers ihres Vorfahren.»

Nun aber ab in die Hängematte und unter das Moskitonetz, die Mücken bestehen immer hartnäckiger auf ihrem Abendessen.

Panorama Canaima Nationalpark in Venezuela
Panorama im Canaima Nationalpark im Norden Südamerikas, unweit von Brasilien.

Rückkehr nach Canaima

Beim ersten Morgenlicht klettere ich aus der Hängematte und erfrische mich unten am Fluss. Nach einem raschen Frühstück mit Arepas (Maisküchlein), Rührei und Kaffee, drängt uns die äußerst zeitbewusste Maury zum Aufbruch. Immerhin haben wir eine fast vierstündige Bootsfahrt flussabwärts vor uns.

Laguna Canaima

In Canaima quartieren wir uns wieder im gleichen Backpacker-Hostel ein. Wir freuen uns nun darauf die weiteren natürlichen Attraktionen des Nationalparks kennenzulernen.

Fantastisch ist die Süßwasserlagune, mit dem weißen Sandstrand und den drei im Wasser stehenden Palmen als Protagonisten. Das Wasser stammt aus einem Fluss mit insgesamt sieben Wasserfällen. Hervorzuheben sind auch die verschiedenen Farben des Wassers, die je nach Sektor variieren. Das Wasser beim Strand und den Palmen weist aufgrund des Vorhandenseins einiger Mineralien einen rötlichen Farbton auf. An anderen Stellen schimmert das Wasser durch die Kraft der Wasserfälle bläulich. Im Hintergrund thronen verschiedene Tepuis mit ihrer üppigen Vegetation.

Wasserfälle im Canaima Nationalpark
Wasserfälle im Canaima Nationalpark: links der Salto Golondrina, rechts der Salto Ucaima.

Frosch und Fröschchen

Wir beschließen die umliegenden Wasserfälle in Augenschein zu nehmen. In der Nähe des Dörfchens klettern wir auf einem glitschigen Pfad hinter die Kulissen des Salto Hacha Wasserfalls.

Über ein Plateau gelangen wir dann zu einer weiteren traumhaft schönen Lagune. Zwei Wasserfälle, Sapo y Sapito (Frosch und Fröschchen) genannt, bilden die Wasserzufuhr. Hier kann man gar nicht anders, als die Hüllen fallen zu lassen und sich ins Wasser zu stürzen.

Globetrotter Festival

Am späteren Abend setzen wir uns zu einer bunt zusammen gewürfelten Gruppe von Weltentdeckern am weißen Sandstrand der Lagune von Canaima. Die drei im Wasser stehenden Palmen und die Wasserfälle Golondrina und Ucaima im Hintergrund, kombiniert mit einem von Sternen überzogenen Himmel, verleihen dem Ort eine magische Atmosphäre.

Wir diskutieren über Gott und die Welt des Reisens, mal auf Deutsch, Spanisch, Französisch oder Englisch, je nach dem wer gerade Wortführer ist. Eine Flasche venezolanischen Cacique Rum belebt die Stimmung für eine tolle Fiesta.

Bald gesellen sich auch Einheimische dazu, einige Reiseleiter und Bootsmänner, welche den Trip zum Salto Angel anbieten. Es ist sehr interessant, mal die Sichtweise der lokalen Bevölkerung zum ganzen Rummel um den Salto Angel zu vernehmen. Viele schätzen die somit geschaffenen Arbeitsmöglichkeiten, andere sind der vielen Besucher überdrüssig. Sie geben sogar an, ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft oft nur vorzutäuschen. Eines haben hier alle gemeinsam, sie verprassen ihren hart erarbeiteten Lohn mit Rum und Bier und genießen die friedliche Fiesta.

Laguna de Canaima
Abendstimmung an der magischen Laguna de Canaima mit ihrem Wahrzeichen, den drei stolz im Wasser stehenden Palmen.

Rettung aus dem Urwald

«Vamos, vamos!» Durch kräftiges Rufen und Klopfen weckt uns Jesús, der Hostel-Manager am folgenden Tag. Mir brummt kräftig der Schädel von der gestrigen Party, welche vor einigen Minuten immer noch in vollem Gang gewesen zu sein scheint.

«Das Flugzeug fliegt in 30 Minuten ab», ruft Jesús unruhig. Ich hüpfe sofort unters kalte Wasser der Dusche und packe meine sieben Sachen in Rekordtempo in meinen Rucksack. Im Eilmarsch erreichen wir kurze Zeit später den Flugplatz, nur um zu erfahren, dass unser gebuchter Flieger mit zwei anderen Touristen abgeflogen sei.

Wir schauen uns an und denken genau das gleiche: «Toll, jetzt können wir einen weiteren Tag an diesem magischen Ort im Canaima Nationalpark verweilen.» Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Die einzige Angestellte im Hangar vermittelt uns einen anderen Flugplatz und insistiert auf unserer Abreise, in den nächsten Tagen sei alles ausgebucht.

So fliegen wir also am späteren Nachmittag nach Ciudad Bolivar und freuen uns auf die Fortsetzung der Reise durch Venezuela

Fotos: Cortesia de David Ruiz Luna, muchisimas gracias.

Jack Schulz
Der Weltentdecker Jack fühlt sich in den heimischen Alpen auf einem Trekking oder mit dem Mountainbike genau gleich wohl wie draussen in der weiten Welt. Seine längste Reise führte in über 5 Jahren von Kanada in die USA und nach Mexiko, durch ganz Mittelamerika und die Karibik bis tief runter nach Südamerika. Das Fernweh ist jedoch nicht kuriert. Die Passion für Outdoor Adventure und das Erkunden von neuen Ländern ist dominanter als je zuvor.