Mit dem Zug durch Rumänien

Das geheimnisvolle Transsilvanien, auch Siebenbürgen genannt, ist eine Gegend voller Geheimnisse und Mythen. Viel fantastische Burgen und Schlösser prägen die gebirgige Landschaft der Karpaten. Kommt mit auf eine spannende Bahnreise von der rumänischen Hauptstadt Bukarest nach Brasov, die hübsche Provinzstadt in Transsilvanien.

Am Hauptbahnhof von Bukarest

Es fährt ein Zug. Vorfreude kommt auf nach der Abklärung dieser Information. Ich liebe Bahnreisen. Über eine Stunde vor der Abfahrt finde ich mich am Hauptbahnhof București Nord ein, eingeschüchtert von den Gedanken an einen mühsamen Ticketkauf. Zwei Minuten später händigte mir die zuvorkommende Dame hinter dem Schalter den Fahrschein aus, während ich darüber sinnierte, wie das bei meiner letzten Bahnfahrt in Osteuropa so war. So war es nicht. Ich war zwischen enttäuscht und erfreut über den wenig abenteuerlichen Kauf der Tickets. Ich hatte absichtlich davor abgesehen diese online zu erstehen.

Parlamentspalast in Rumäniens Hauptstadt Bukarest
Der pompöse Parlamentspalast in Bukarest wurde vom rumänischen Staatspräsidenten Nicolae Ceausescu in Auftrag gegeben. Nach dem Besuch von Rumäniens Hauptstadt nahmen wir den Zug nach Transsilvanien.

Patriotischer Zug

Ab Bukarest gibt es ungefähr alle 2 Stunden eine Bahnverbindung nach Brasov, der hübschen Kreishauptstadt in Transsilvanien. Um 09:55 Uhr, auf die Sekunde genau (ich schwöre es) ruckelte der Zug der staatlichen Eisenbahngesellschaft (CFR) los und gewinnt weitere Sympathiepunkte nach dem reibungslosen Ticketkauf. Eine flächendeckend in Rumäniens Nationalfarben blau, gelb und rot bemalte Elektrolokomotive zog die nur gerade vier Waggons. Die Sitze im durch eine Türe abgetrennten Abteil sind versetzt angebracht, bieten also genügend Platz für drei Passagiere auf der einten Seite und zwei Fahrgäste auf der anderen Seite. Diese sehr angenehme Konstellation sorgte für weniger Kniekontakt und das auf die Füße treten minimierte sich drastisch.

Trotz der ansehnlichen Größe der rumänischen Hauptstadt Bukarest,  ließen wir die Urbanität rasch hinter uns. Wir ratterten in einem gemäßigten Tempo über die von Gras überwachsenen Schienen. Der Rost an den Strommasten wurde von der Vegetation fast gänzlich eingenommen. Lokale Bahnmitarbeiter verschanzten sich jeweils hinter einem Gitterschutz und beobachteten den vorbeifahrenden Zug.

Reisegäste

Jemand tippte fast schon fanatisch in sein Smartphone. Die Jüngste im Zugabteil war es nicht, die schlief trotz eingenommenen Koffeinschub innerhalb kurzer Zeit ein. Die älteste Dame, mit rassigem Silberschmuck, einem Kurzhaarschnitt mit gewagter Rottönung gewann mit Abstand am meisten Bildschirmzeit. Sie schien einen Live-Ticker der Geschehnisse im Zug zu betreiben. Während der ganzen Zugreise gab es was zu schreiben. Dazu dieser äußerst lästige Piepton bei jedem mühevoll eingetippten Buchstaben. Glücklicherweise wurde dies vom Rattern des Zuges übertönt.

Nun rief Mutti an. So viel rumänisch ging, ein international gebräuchliches Wort. Ich machte mir Gedanken über das Alter von Mutti, wenn ihre mir gegenüber sitzende Tochter schon Großmutter zu sein schien. Der männliche Fahrgast war in einem Buch vertieft oder tat nur so und hörte heimlich mit. Der fünfte und letzte Sitz neben ihm wurde von seinen beiden Koffern eingenommen. In meinem Alltag als Pendler würde ich das als unpassend taxieren, da es jemandem eine rare Sitzgelegenheit wegnimmt. Doch hier im wilden Osten war das knapp eine Randnotiz wert.

Fahrscheinkontrolle

Der Schaffner war eine elegante Erscheinung mit seiner feinsäuberlichen Uniform im Blauton und der etwas überproportionierten Mütze. Ich hatte das Gefühl, der war so stolz auf seinen Zug wie ich damals mit meiner Märklin Modeleisenbahn war. Alles passte, die Tickets wurden quittiert.

Plötzlichen ein abrupter, unplanmäßiger Stopp, wenig idyllisch zwischen zwei Pfeilern einer Brücke. Eine Zugkomposition rüttelte wie eine Achterbahn tönend oben weg. Wir blieben stehen. Scheinbar waren wir in der Warteschlange und gleich wird es unseren Bahnwagen in einem 90° Winkel auf die Achterbahn hochziehen…

Schaffner auf Kontrollgang im Zug nach Brasov
Stolzer Schaffner auf seinem Kontrollgang im Zug nach Brasov.

Zug um Zug

Die News des Halts verbreitete sich wohl dank dem Live-Ticker meiner Sitznachbarin gegenüber in Windeseile. Etliche Passagiere eilten auf dem Gang vorbei. Was war los? Ein Blick aus dem Fenster verschaffte die Aufklärung. Die Insassen konnten die Waggontüre manuell öffnen und nutzten den kurzen Aufenthalt für einen Zug neben dem Zug. Tolles Wortspiel… also einige Züge an einer Zigarette auf der Waggontreppe stehend.

Keiner will nach Ploiesti

Mit der Provinzstadt Ploiesti folgte nun eine offizielle Haltestelle. Doch niemand schien hier bleiben zu wollen. Zur Verteidigung der Ortschaft muss auch gesagt werden, dass niemand wegreisen wollte. Ein gutes Zeichen?

Aus der Bar Pamavola beäugten uns einige trinkfreudige Einheimische. Der Wochenstart wurde schon früh alkoholisch eingeläutet. Außerhalb von Ploiesti hatten die Franzosen ihre Spuren interlassen: Auchnan Supermarkt und Renault Vertriebspartner.

Rumänisches Landschaftsbild

Die vorbeiziehende Landschaft versetzte mich in eine meditative Trance. Es war topfeben. Waldpartien wechselten sich mit Agrarfelder ab. Neben einem Kartoffelacker wurden Solarpanels angepflanzt, wohl ein einträglicheres Business? Ein sympathisches Grün der Felder ging weit hinten über in den stahlblauen Himmel.

Bahnreise durch Transsilvanien
Wild überwuchertes Bahntrasse auf der Bahnreise durch Transsilvanien.

Update von der Bahnreise

Der Zugchef unternahm einen erneuten Kontrollgang. Mit seinem geübten Blick wusste er, dass er uns alle schon geprüft hatte. Der freundliche Besuch war für die Seniorin Grund genug, ihre Mutter darüber aufzuklären. Eine halbe Stunde nach dem letzten Anruf gab es erneut einiges zu erzählen.

Eine Klimaanlage surrt und schafft Abhilfe an diesem schwülen Frühsommertag. Trotzdem wies mich der meist lesende Reisegenosse regelmäßig an, wie weit ich das Fenster öffnen sollte… um einige Minuten später die Instruktionen zu revidieren. Gern geschehen, der Fahrkomfort von uns allen lag mir sehr am Herzen.

Bahnhof Campina

Eine potenzielle Passagierin stand nach unserer Einfahrt tatsächlich auf der falschen Seite des Zuges. Kein Perron, keine offene Türe, kein Zustieg! Sie huschte gefährlich über andere Bahngleise, kletterte über alte Holzschwellen und versuchte um die ganze Zugkomposition herum auf die richtige Seite zu kommen. Ob sie das noch schaffte?

Genau jetzt kreuzte der Stationsvorsteher von der anderen Seite kommend die dortigen Gleise, um unserem Zug mit der grünen Kelle die Weiterfahrt zu erlauben. Wir verkehrten immer noch auf die Minute pünktlich.

Einzug in die Bergwelt der Karpaten

Bewaldete Hügelzüge verdrängten das Flachland. Die Eisenbahn schlängelte sich durch das enge gewordene Prahova-Tal. Der gleichnamige Fluss begleitete uns durch das liebliche Tal. Nur ein von der Europäischen Union mitfinanziertes Minikraftwerk verschandelte die Flussaue. Überhaupt hätte ich mehr Bauruinen und Reliquien der sozialistischen Misswirtschaft erwartet.

Das Tal verengte sich zu einer Schlucht. Mit Brücken wechselten sich der Fluss und das Bahntrasse ab, wer mal links oder rechts sein durfte. Die Bergwelt der Karpaten hatte uns. Auf der linken, westlichen Seite waren die schneebedeckten Gipfel des Bucegi-Gebirges erkennbar.

Lokomotive der rumänischen Staatsbahn CFR
Lokomotive der rumänischen Staatsbahn CFR in den Nationalfarben blau, gelb und rot.

Sinaia und seine Schlösser Peles und Pelisor

Die nächste Ortschaft Sinaia ist weltweit bekannt für seine beiden pompösen Schlösser Peles und Pelisor, wie auch die prächtigen Villen weiterer bedeutender Persönlichkeiten.

Das Märchenschloss Peles, mit den herrlichen Türmen, Erkern und Verzierungen, wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Sommerresidenz für den rumänischen König Carol I erbaut.

Nur 300 m weiter befindet sich das Schloss Pelisor, welches Carol I für den späteren König Ferdinand errichten ließ. Auch der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu weilte zeitweise hier.

Ursprünglich wollte ich in Sinaia eine Nacht verbringen, um mir die Schlösser anzusehen. Doch sind diese jeweils am Montag und Dienstag geschlossen. Das solltest du unbedingt beachten bei der Planung deiner Reise nach Transsilvanien. Der Besuch von Sinaia gehört bestimmt zu einem der Highlights in Rumänien.

Von Sinaia nach Brasov

Die Qualität des Schienennetzes schien abzunehmen je weiter wir uns von der Hauptstadt Bukarest entfernen. Der Zug schüttelte und ruckelte in einem bescheidenen Tempo vorwärts. Kurvenreich vernichtete die Eisenbahn Höhemeter um Höhenmeter. Zuweilen schien trotz elektrifizierter Strecke Strommangel zu herrschen. In den Tunnels rettete uns nur eine Notfallausgangslampe vor der Totalfinsternis.

Brasov stand alsbald in weißen Lettern auf einem blauen Schild. Hier endete meine Bahnreise. Mit einem freundlichen Nicken verabschiedete ich mich von der älteren Dame. Sie lächelte mich an und murmelte etwas, entweder zu mir oder zum Gesprächspartner am Smartphone. Für die anderen beiden Fahrgäste war auch hier Endstation.

Bahnhof in Brasov
Bahnhof in Brasov mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge.

Städteperle Brasov

Über das in der Bergwelt der Karpaten gelegene Brasov hatte ich schon viel gelesen und nur Gutes gehört. Unweit der mittelalterlichen Stadt befindet sich das Schloss Bran, besser bekannt als Schloss von Graf Dracula. Neben den umliegenden Karpaten mit ein Grund für diese Reise nach Transsilvanien.

Brasov wird zu deutsch auch Kronstadt genannt und ist mit zwischen 255‘000 bis 290‘000 eine der größten Städte in Rumänien. Ich spazierte über den alten Rathausplatz (Piata Sfatului), mit seinen bunt bemalten und kunstvoll verzierten Barockstrukturen. Die Schwarze Kirche (Biserica Neagra) ist die größte gotische Kirche des Landes. Der Name leitet sich von den durch ein Feuer verursachte Schäden ab, als Flammen und Rauch die Wände schwärzten. Die zahlreichen Restaurants und Cafés laden zum Verweilen ein. Die Rumänen scheinen liebend gerne draußen zu sein.

Stadt Brasov in Transsilvanien
Die hübsche Stadt Brasov ist ein guter Ausgangspunkt für die Erkundung der Region Siebenbürgen.

Ausflüge und Touren

Und dann wäre da noch das Schloss Bran, besser bekannt als Burg des Grafen Dracula, dem berühmtesten Vampir in der Literaturgeschichte. Den Dracula gab es früher wirklich, der irische Schriftsteller Bram Stoker hat sich für seine Romanfigur wohl von Vlad III. Drăculea inspirieren lassen, einem für seine angeblichen Gräueltaten gefürchteten Fürsten. Die Sehenswürdigkeit wird touristisch geschickt vermarktet und gehört zu den wichtigsten Highlights in Rumänien, obwohl es attraktivere Burgen und Schlösser gibt. Mir war der Rummel mit gefühlt Tausenden von Besuchern einfach zu viel. Wenn du dir das trotzdem antun willst, findest du hier weitere Informationen: www.bran-castle.com

Bahnreisen in Rumänien

Auf der Strecke von Bukarest nach Brasov verkehren zwei Zuggattungen. Die Fahrt im Interregio (IR) dauert ca. 2:45 h, im Regio (R) dauert sie mindestens 3:30 h, je nach programmierten Haltestationen auch länger. Der Hauptbahnhof București Nord bietet ungefähr alle 2 Stunden eine Zugverbindung nach Brasov an.

Die rumänische Staatsbahn Căile Ferate Române, abgekürzt C.F.R., betreibt das größte Streckennetz des Landes. Private Unternehmen haben ebenfalls Züge auf mehreren Strecken im ganzen Land in Betrieb genommen. Tickets für Bahnreisen können an den Ticketschaltern in Bahnhöfen, an Verkaufsautomaten oder über die Webseite CFR Calatori

Ana Richter
Ana stammt ursprünglich aus Osteuropa und ist immer wieder gerne dort unterwegs. Am liebsten besucht sie europäische Städte, erkundet die lokalen Sehenswürdigkeiten, lässt sich kulinarisch verwöhnen und kann eine gefühlte Ewigkeit in Cafés verbringen, gepowered von Chai Lattes.