Fernwanderung auf der Nord-Süd Route durch die Alpen

Fernwanderung von Schaffhausen ins Tessin, vom nördlichsten zum südlichsten Punkt der Schweiz. Vom hügeligen Norden in die Voralpen des Kanton Schwyz. Vom Vierwaldstättersee durch die Bündner Berge ins Tessin. Auf der Via Cristallina und auf dem Trans Swiss Trail durch die südlichen Alpen bis nach Chiasso an der Grenze zu Italien. Unsere ultimative Alpenüberquerung zu Fuss durch die Schweiz.

Mein Alpencross führt in 16 Etappen auf der Nord-Süd Route durch die Schweiz, von der Grenze zu Deutschland bis an die Grenze zu Italien. Es ist kein ausgeschilderter Fernwanderweg, vielmehr habe ich die Trekking-Route selbst erfunden, also jeweils sehr spontan entschieden, wo es durchgeht. Nur der Starpunkt bei Bargen und das Endziel Chiasso war immer klar.

Die Anforderungen für diese Fernwanderung sind relativ bescheiden. Meist war ich auf Routen T1 bis T2 der Schweizer Wanderscala unterwegs, also auf einfachen bis mittelschweren Wanderwegen. Nur die gebirgigen Etappen in Graubünden und auf dem Sentierro Cristallina sind als T3 klassifiziert, also in steilem Gelände mit teilweise exponierten Stellen, wo Trittsicherheit gefragt ist und alpine Erfahrung hilfreich ist.

Nach mehreren Touren mit Zelt, beispielsweise auf der legendären Bergwanderung auf der Via Alpina, habe ich mich diesmal für Übernachtungen bei Freunden und Bekannten oder in (einfachen) Unterkünften entschieden. In praktische jedem grösseren Schweizer Dorf gibt es ein B&B oder entlang der bekannteren Wanderwege findest du SAC-Hütten für preisgünstige Übernachtungen.


Nordschweiz

Bargen im Kanton Schaffhausen ist bestimmt nicht sexy! Ein durch eine Schnellstrasse zweigeteiltes Dorf. Und doch gelangt der Ort plötzlich auf unseren Radar, dank dem Attribut als die am nördlichsten gelegene Gemeinde der Schweiz. Somit ist Bargen der auserkorene Startpunkt für den Alpencross durch die Schweiz.

1. Startpunkt am nördlichsten Punkt der Schweiz

  • Route: Bargen – Thayngen – Diessenhofen – Stein am Rhein
  • Höhenmeter: 200 m, Wanderzeit: 6 h 30

Als einziger Fahrgast entsteige ich in Bargen dem Linienbus und werde vom Fahrer mit einem Ausdruck zwischen Verwunderung und Aufmunterung verabschiedet. Sonst kennt er bestimmt alle Passagiere beim Namen. Weniger oft zählt er wohl Trekker mit mächtigen Rucksäcken zu seinen Fahrgästen.

Während ich losmarschiere, zerbreche ich mir den Kopf, wie ich auf die Frage nach meinem Wanderziel antworten sollte. Chiasso? Das würde auf alle Fälle für ein verständnisloses Kopfschütteln sorgen. Thayngen tönt plausibler, immerhin veranstalte ich hier die erste Mittagsrast.

Ein Dichterweg und ein Biberweg prägen den nächsten Abschnitt. Der eine Weg mit Gedichtstafeln, der andere Weg ohne Biber. Später gehe ich fremd, schlage dem Wanderland Schweiz ein Schnippchen. Ich kürze die Route mit einem 20-minütigen Marsch durch den deutschen Bundesstaat Baden-Württemberg ab. Somit gelange ich schneller nach Diessenhofen an den Rhein. Nun habe ich sogar eine Fernwanderung durch Deutschland und die Schweiz in meinem Lebenslauf, das tönte noch besser!

Eine wunderschöne Abendstimmung hüllt den Fluss und die Silhouette der Ortschaft Diessenhofen in ein fantastisches rot. Der Wanderweg entlang dem Rhein ist ein Bijou sondergleichen, eine Genussstrecke, die eigentlich mehr Zeit verdient, wäre da nicht die einbrechende Nacht. Die Schritte müssen unfreiwillig beschleunigt werden und trotz allem wird es stockdunkel, bis ich den ersten Etappenort Stein am Rhein erreiche.

Fernwanderweg entlang dem Rhein
Fernwanderweg entlang dem Rhein

2. Durchs wildromantische Farenbachtobel

  • Route: Stein am Rhein – Farenbachtobel – Schauenberg – Turbenthal
  • Höhenmeter: 850 m, Wanderzeit: 7 h 30

Das einzigartige Städtchen Stein am Rhein (www.tourismus.steinamrhein.ch), mit den prächtigen Fassaden und der fantastischen Lage am Rhein, ist eine Perle unter den mittelalterlichen Städten. Doch mit dem bevorstehenden sportlichen Tagesprogramm bleibt leider nicht viel Zeit zum Schlendern und Geniessen.

Ab in den Süden. Die Routenwahl ist gar nicht so einfach, zumal kein einziger Weg den Süden wirklich anpeilt. So ist es ein Hin-und-Her-Wandern mit südlichem Einschlag. Es geht von Ortschaft zu Ortschaft mit nie gehörten Namen: Nussbaumen, Uerschhausen, Trüttlikon, Uesslingen, Ellikon, Kefikon, Islikon, Gachnang, Oberschneit, Schneitberg und Elgg.

Der spannendste Abschnitt der Tagestour führt durch das wildromantische Farenbachtobel. Auffällig sind die vielen umgestürzten Bäume, die mit Moos überwucherte Umgebung und der Farenbach mit seinen kleinen Wasserfällen. Ein waghalsiger, metallener Steg ist in der Wand verankert, um die engsten Passagen zu meistern.

Auf dem höchsten Punkt, auf dem Schauenberg (890 m), befand sich früher die gleichnamige Burgruine. Angeblich sieht man von hier Punkte in allen Kantonen ausser Genf und Jura. An diesem verregneten und eingenebelten Tag sehe ich knapp die Umgebung des Kantons Zürich. Wegen der anbrechenden Dunkelheit eile ich im Rekordtempo runter nach Turbenthal.

Wanderung durch das Farenbachtobel
Wanderung durch das Farenbachtobel

3. Leichten Fusses

  • Route: Turbenthal – Bauma – Hinwil – Rapperswil
  • Höhenmeter: 400 m, Wanderzeit: 7 h

Der morgendliche Spaziergang entlang dem Fluss Töss lässt beinahe ein schlechtes Gewissen aufkommen. Einerseits geniesse ich das leichte Vorwärtskommen, andererseits freue ich mich auf die schwierigeren, alpinen Etappen der Fernwanderung. Als ich mich Rapperswil nähere, ist der Anblick des Zürichsees und die sich dahinter auftürmenden Alpen-Gipfel umso eindrücklicher.

Wanderweg über die Brücke bei Rapperswil
Wanderweg über die Brücke von Rapperswil nach Hurden

Zentralschweiz

Im Herzen der Schweiz wird es definitiv alpin, die Schweizer Bergwelt zeigt sich in seiner vollen Pracht. Auf der Nord-Süd Route lockt die Besteigung des legendären Grosser Mythen. Auf dem Weg der Schweiz führt eine Panoramastrecke entlang dem wunderschönen Vierwaldstättersee. So richtig lanciert wird die Alpenüberquerung mit dem Chrützlipass von Uri nach Graubünden.

4. Wallfahrt vom Zürichsee nach Einsiedeln

  • Route: Rapperswil – Etzelpass – Einsiedeln
  • Höhenmeter: 650 m, Wanderzeit: 6 h

Der heutige Wanderweg ist identisch mit der Via Jacobi, dem Jakobsweg von Rapperswil bis Einsiedeln, ins wichtigste Pilgerzentrum der Schweiz. Es geht gleich spannend los, auf der bekannten Holzbrücke nach Hurden. Der imposante Holzsteg ist attraktiv in die Landschaft eingebettet, führt an prächtigen Schilffeldern mit seiner Tierwelt vorbei und bietet eine grandiose Aussicht über den Zürichsee. Ab Pfäffikon folgt der Aufstieg auf den 949 m hohen Etzelpass. Durch eine liebliche, voralpine Hügellandschaft mit vielen Kühen und Schafen, gelange ich nach Einsiedeln.

Wallfahrt Kloster Einsiedeln
Wallfahrt Kloster Einsiedeln

5. Besteigung des Grossen Mythen

  • Route: Einsiedeln – Schwyz
  • Höhenmeter: 1100 m, Wanderzeit: 7 h 30

Auf einem Höhenweg westlich des Alpthals wandere ich im Banne des Grossen Mythen nach Schwyz. »Ein Aufstieg auf den imposanten Berg mit 360 Grad-Panorama gehört zu den Dingen im Leben, die man einmal gemacht haben muss,« sagen die Einheimischen.

Das habe ich eigentlich nicht vorgesehen. Jedoch will ich mir diese Möglichkeit bei diesem so strahlend blauen Himmel auch nicht entgehen lassen. Ich schaffe die die Besteigung des Grossen Mythen in einem sportlichen Tempo in etwa 50 Minuten. Das macht rund 500 Höhenmeter von der Holzegg aus.

Fazit: Absolut lohnenswert, kann ich jedem empfehlen. Der 360° Rundblick über die Schweizer Berge und den Vierwaldstättersee ist unbeschreiblich. Ich habe solch einen Spass, dass ich sogar ein kleines Video auf YouTube publiziert habe. Nun geht es aber wieder auf direktem Weg weiter gegen Süden.

6. Auf dem Weg der Schweiz beim Vierwaldstättersee

  • Route: Schwyz – Brunnen – Flüelen
  • Höhenmeter: 800 m, Wanderzeit: 6 h

Bei Brunnen erreiche ich das Ufer des Vierwaldstättersees. So hübsch eingebettet in die alpine Gebirgswelt ist er wohl der schönste und vielfältigste Schweizer See. Ab hier windet sich ein Wanderweg den Berg hoch nach Morschach, bekannt für sein Erlebnisbad. Die Route gehört zum Weg der Schweiz (offizielle Website) einem Projekt der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft 1991.

Der abwechslungsreiche Panoramaweg überbietet sich laufend mit fantastischen Ausblicken auf den Vierwaldstättersee und die umliegenden Berge. Zwischen Sisikon und Flüelen führt die Route auf einem Uferweg zu der historisch wichtigen Tellskapelle und Tellsplatte. An dieser Stelle soll sich der Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell mit einem rettenden Sprung aus dem Boot des Landvogts Gessler gerettet haben.

Weg der Schweiz am Vierwaldstättersee
Weg der Schweiz am Vierwaldstättersee

7. Fernwanderung durchs Urner Reusstal

  • Route: Altdorf – Erstfeld – Amsteg – Bristen
  • Höhenmeter: 550 m, Wanderzeit: 5 h

Bei meinem letzten Besuch am südlichen Vierwaldstättersee, habe ich auf dem Via Alpina Trekking ebenfalls hier genächtigt. Nun setze ich Fernwanderung im Urner Reusstal fort. Das enge Tal ist eine der wichtigsten Verkehrsachsen durch die Alpen nach Süden. Bahnschienen, Autobahn und Fernstrasse teilen sich mit dem Fluss und einem Wanderweg den Talkessel. Wahrlich kein Highlight auf der Nord-Süd Route – Augen und Ohren zu und durch!

Endlich darf ich den Aufstieg in das Bergdorf Bristen (770 m) in Angriff nehmen. Die Ruhe der Alpen kehrte ein. Noch mehr freue ich mich auf die Abgeschiedenheit der morgigen Alpenüberquerung ins Bünderland.

Dampfschiff Uri auf dem Vierwaldstättersee
Dampfschiff Uri auf dem Vierwaldstättersee

8. Bergwanderung von der Zentralschweiz nach Graubünden

  • Route: Bristen – Chrützlipass – Rueras
  • Höhenmeter: 1600 m, Wanderzeit: 7 h 30

Durch das Etzlital begleitet mich natürlich der Etzlibach, bis zur SAC-Hütte mit dem überraschenden Namen Etzlihütte. Ein rund 3.5-stündiger Marsch. Gegen Osten erfolgt der schweisstreibende Aufstieg auf den rund 2350 m hohen Chrützlipass, mit seinen charakteristischen Steinmannli auf der Passhöhe.

Auf der anderen Seite beeindruckt das Val Strem durch seine schroffe Wildheit. Die grandiose Alpenlandschaft macht die Müdigkeit vergessen und am späteren Abend erreiche ich die Ortschaft Rueras, im Haupttal des Bündner Oberlandes.

Nebel über dem Schweizer Alpental Etzli
Nebel über dem Schweizer Alpental Etzli

Von Graubünden ins Tessin

Graubünden ist der grösste Kanton der Schweiz und ein typisches Gebirgs- und Hochland, mit 615 Seen, 150 Täler und 937 Berggipfel. Doch auf unserem Trekking durchqueren wir die Bündner Alpen in lediglich in zwei Tagen.

9. Durchs Val Maighels über die Bündner Alpen

  • Route: Rueras (1040 m) – Val Maighels – Passo Bornengo (2631 m) – Cadlimo Hütte (2570 m)
  • Höhenmeter: 1600 m, Wanderzeit: 8 h 30

Hier auf der Strecke von Rueras nach Tschamut ist der Rhein noch jung, ein Bergbach, weit entfernt vom mächtigen Strom den er noch werden wird. Unweit des Oberalppasses liegt der kleine, mystische Tomasee, dessen Abfluss traditionell als Rheinquelle gilt.

Ich kann die Lage des Tomasees nur abschätzen, zweige ich doch ein Seitental vorher gegen Süden ab. Ein Stausee prägt das Landschaftsbild bis ich ins Val Maighels gelange. Ich nehme den langen Aufstieg auf den Passo Bornengo in Angriff. Ich werde langsamer und versuche, mit meinen Kräften hauszuhalten. Weiter oben gilt es eine mächtige Felswand zu traversieren.

Plötzlich halte ich inne. Hat sich dort nicht etwas bewegt? Tatsächlich widmen sich drei Steinböcke in der Abendsonne den spärlichen Grasbüscheln. Ein unbeschreiblicher Augenblick. Eine gefühlte Ewigkeit geniesse ich das Spektakel und bin einfach nur glücklich, dies so erleben zu können.

Dabei vergesse ich völlig die Zeit. Die Dunkelheit bricht ein. Zum Etappenziel der Cadlimo Hütte (Website) fehlen noch rund 250 Höhenmeter. Mit den letzten Reserven klettere ich den Weg gegen oben und komme erschöpft an. Gerne profitiere ich von einem noch zur Verfügung stehenden Bett und einer warmen Mahlzeit in der SAC-Hütte.

Passo Bornengo auf der Alpenüberquerung
Passo Bornengo auf der Alpenüberquerung

10. Spektakuläre Etappe nach Airolo

  • Route: Lago Ritom – Airolo (1150 m)
  • Downhill: 1500 m, Wanderzeit: 5 h 30

Heute erlebe ich wohl eine der spektakulärsten Etappen des ganzen Trekkings. Malerische, hübsch in die fantastische Bergwelt eingebettete Seen, gestreichelt von den ersten Sonnenstrahlen, machen einfach gute Stimmung. Am Lago Ritom vorbei suche ich mir die direkteste Route runter in das Valle Leventina nach Airolo.

Alpenüberquerung zu Fuss durch die Schweizer Alpen
Alpenüberquerung zu Fuss durch die Schweizer Alpen

Sentiero Cristallina

Der Sentiero Cristallina verbindet Airolo im Val Bedretto mit Bignasco im Valle Maggia. Je nach sportlicher Fitness kann die Route in zwei oder drei Tagesetappen erwandert werden. Ein lohnenswertes Abenteuer auch für kurze Wanderferien.

11. Über den Passo di Cristallina

  • Route: Passo di Cristallina (2568 m) – Robiei (1940 m)
  • Höhenmeter: 1900 m, Wanderzeit: 8 h

Ich starte die Trekking-Route des Sentiero Cristallina von Airolo aus mit dem Aufstieg in das Dörfchen Nante und dann weiter bis zur Seilbahnstation Pesciüm. Der Höhenweg auf der Sonnseite des Val Bedretto verläuft durch Hochmoorlandschaften und bietet schöne Ausblicke ins Gotthardmassiv. Ich tauche ein in diese ursprüngliche Natur, bestehend aus herrlichen Farben und erholsamer Stille. Mit fortschreitender Höhe verdrängen steinige Bergflanken die lieblichen Alpen und Wälder.

Auf die Mittagszeit erreiche ich die Passhöhe des Passo die Cristallina (2568 m). Die scheinbar überproportionale Cristallina-Hütte (externe Webseite) anerbietet sich als Etappenort.

Ich bin jedoch voller Tatendrang und mache mich an den Abstieg, auf den von Geröllhalden durchzogenen Serpentinen. Etliche natürliche und gestaute Seen beleben dieses alpine Gebiet und liefern einen gewichtigen Anteil des Stroms im Kanton Tessin. Der Lago Sfundau besticht durch seinen aus der Felswand herauspreschenden Wasserfall.

Beim Lago Robiei verbringe ich die Nacht in der gleichnamigen Unterkunft. Dieser kuriose Rundbau, eine Art Hochhaus in den Alpen, beherbergte früher die Arbeiter und Techniker des Wasserkraftwerks, welches in den 1960er Jahren erbaut wurde. Weitere Infos findest du auf der Website: www.robiei.ch

Sentiero Cristallina Trekking Route
Sentiero Cristallina Trekking Route

12. Auf ins Walserdorf Bosco Gurin

  • Route: Cevio (420 m) – Bosco Gurin (1500 m)
  • Höhenmeter: 1200 m, Wanderzeit: 9 h 30

Nach einem bescheidenen Frühstück mit Brot und Konfitüre, mache ich mich an den weiteren Abstieg. Das alpine Ambiente in der morgendlichen Sonne ist unschlagbar, ich bin tief beeindruckt von der Schönheit der Schweizer Bergwelt.

Ab San Carlo verliert die Route den alpinen Charakter, das Tal wird flacher. Ich wandere durch das Val Bavona, mit seinen hübschen Bergdörfern. Die typischen Steinhäuser sind oft mit wunderschönen Blumen geschmückt.

In Bignasco endet der ausgeschilderte Wanderweg des Sentiero Cristallina und ich kümmere mich wieder selbst um die passende Routenwahl. Ich ziehe weiter das Tal hinaus bis Cevio, das nur noch auf 420 m gelegen ist.

Durch die starke Belastung auf der Trekking-Tour machen sich heute gewisse Verschleisserscheinungen bemerkbar. Der rechte Knöchel schmerzt sehr störend. Ich kaufe in einer Apotheke eine wärmende Salbe und einen Verband. Dies schafft Linderung und es geht weiter.

Ich entschliesse mich trotz der gesundheitlichen Herausforderung gegen die direkte Route in Richtung Süden, da ich noch die abgelegene Region bei Bosco Gurin (touristische Webseite) erkunden möchte. Das Seitental im Wilden Westen des Tessins reicht bis an die italienische Grenze und sieht auf der Landkarte sehr verlockend aus.

Rund 1200 Höhenmeter sollen es heute noch werden bis in das Walserdorf Bosco Gurin hoch. Es wurde im 13. Jahrhundert von Siedlern aus dem Bergkanton Wallis gegründet. Übrigens ist es die einzige Tessiner Gemeinde, in der Deutsch gesprochen wird und ist dazu das höchst gelegene Dorf im Kanton.

Walserdorf Bosco Gurin
Walserdorf Bosco Gurin

Im wilden Westen des Tessins

Ganz im Westen des Tessins, gleich an der Grenze zu Italien, abseits des bekannten und viel besuchten Valle Maggia, liegt die wunderbare Region von Bosco Gurin und das Valle di Vergeletto. Etliche Passübergänge bescheren der Alpenüberquerung weitere Höhenmeter.

13. Alpenpässe im Westen des Tessins

  • Route: Passo Quadrella (2137 m) – Passo de la Cavegna (1977 m) – Vergeletto (900 m)
  • Höhenmeter: 1400 m, Wanderzeit: 8 h

Bereits um 6 Uhr werde ich überraschend geweckt, weil ein Gesangschor in der gleichen Herberge die Gunst des Morgens abnutzen will. So bin auch ich früher als geplant wieder auf den Beinen. Die Morgensonne bestrahlt die hübschen Steinhäuser von Bosco Gurin, während ich durch eine kleine Ebene zum Fusse des Berges gelange. Etwas weiter westlich ist bereits italienisches Staatsgebiet.

Ich überquere die zwei Alpenpässe: Passo Quadrella (2137 m) und Passo de la Cavegna (1977 m). Durch das Valle di Vergeletto erreiche ich das heutige Tagesziel in der gleichnamigen Ortschaft.

Gämse auf dem Sentiero Cristallina
Gämse auf der Wanderroute durch das Tessin.

14. Fernwanderweg nach Locarno

  • Route: Vergeletto (906 m) – Mosogno (783 m) – Monte di Comino (1215 m) – Locarno (196 m)
  • Höhenmeter: 1000 m, Wanderzeit: 6 h

Die engen Verhältnisse zwischen dem Felsmassiv linkerhand und dem scheinbar bodenlosen Abgrund rechterhand lassen knapp Platz für die enge Bergstrasse. Es kommen mir einige Mountainbiker entgegenkommen und grüssen mit einem freundlichen «Buongiorno». Da ich auch liebend gerne Mountainbike-Touren unternehme, werde ich fast ein wenig neidisch, wie die Kollegen rollend deutlich schneller vorankommen.

Zu Fuss folge ich ebenfalls der Strasse, die sich mit dem natürlichen Verlauf des Gebirges das Tal hinaus schlängelt. Bei Mosogno zweigt ein Pfad ab und führt runter in die Schlucht des glasklaren Flusses Isorno.

Wo ein Abstieg ist, ist der nächste Aufstieg nie weit. Ich klettere den dicht bewaldeten Abhang hoch zum Monte di Comino. Ein mit Steinbrocken hübsch gestalteter Wanderweg kurvt danach ins Centovalli Tal runter. Auf einer Hängebrücke überquere ich den Fluss Melezza, wo auf der anderen Seite ein attraktiver Pfad hoch über der Schlucht weiter in Richtung Locarno führt.

Hängebrücke auf dem Alpen-Trekking
Hängebrücke auf dem Alpen-Trekking

Trans Swiss Trail

Der Trans Swiss Trail ist eine durchgehend ausgeschilderte Wanderroute vom Kanton Jura bis nach Bern und vom Vierwaldstättersee über den Gotthard ins Tessin. Ab Tesserete schliesse ich mich dem Trail für das letzte Teilstück des Trekkings an.

15. Durchs südliche Tessin auf dem Trans Swiss Trail

  • Route: Monte Ceneri (550 m) – Monte di Brena (910 m) – Tesserete (520 m) – Lugano (270 m)
  • Höhenmeter: 1050 m, Wanderzeit: 9 h 30

Falls es zeitlich passt, könnte man mit dem Schiff über den Lago Maggiore fahren. Sonst führt die Route auf einem Uferweg bis Tenero und weiter auf die andere Seite des Sees. Die Besteigung des Monte Ceneri (550 m) ist unspektakulär: verkehrsreiche Passstrasse, lärmige Autobahn und eine militärische Anlage verunstalten den Pass.

Um in das ruhigere Val Capriasca zu gelangen, gilt es den 910 m hohen Monti di Brena zu begehen. Auch diese Besteigung, wie so viele im südlichen Tessin, führt durch einen dichten Wald steil hoch. Wenig interessant bis langweilig für eine Tageswanderung, als Teilstrecke einer längeren Alpenüberquerung zu Fuss aber verschmerzbar.

Die Ostseite des Gebirgszuges ist schon wesentlich freundlicher, mit hübschen Steinbauten für Ruhe suchende Wochenendaufenthalter. Kurz vor Tesserete schmücken Kunstwerke mit religiösen Motiven die langgezogene Treppe hoch ins Kloster Convento Santa Maria.

Am späten Nachmittag wird das Wandern ein wahrer Genuss. Auf einem wild kurvenden Trail mal hoch, mal runter und über kleine Holzbrücken über meist trockene Bachbette, nähere ich auf einer Hochebene der Tessiner Metropole Lugano. Nach fast zehn Stunden auf den Beinen finde ich unweit des Lago di Lugano ein passendes Nachtquartier.

Lugano am Luganersee mit den Tessiner Alpen
Lugano am Luganersee mit den Tessiner Alpen

16. Abschluss der Alpenüberquerung

  • Route: Lugano – Morcote – Monte San Giorgio – Chiasso
  • Höhenmeter: 900 m, Wanderzeit: 7 h 30

Ein wunderschöner Morgen macht das Wandern entlang des Lago di Lugano zu einem reinen Vergnügen. Der Trans Swiss Trail führt auf einem Höhenweg weiter südlich bis Morcote.

Der äusserst malerische Ort Morcote besticht durch seine hoch oben am Felsen thronende Kirche und durch die Arkaden mit seinen Verkaufsgeschäften entlang der hübschen Seepromenade. Mit dem Schiff setze ich über den Luganersee und mache mich bei Brusino Arsizio an den Aufstieg auf den von der UNESCO geschützten Monte San Giorgio.

Der Monte San Giorgio (Webseite: www.montesangiorgio.org) ist eine der weltweit wichtigsten Fossillagerstätten der geologischen Periode vor einigen Millionen Jahren. Die Fossilien dieses Berges sind wegen ihrer Vielfalt und ihrer einmaligen Erhaltungsweise weltberühmt. Die internationale Anerkennung dieses Fossilvorkommens wurde durch den Eintrag als UNESCO-Welterbe bestätigt.

Schlussendlich marschiere ich nach Mendrisio und dann nach Chiasso, die Grenzstadt zu Italien und die südlichste Stadt der Schweiz. Somit erreiche ich das Ziel der Alpenüberquerung auf der Nord-Süd Route durch die Schweizer Alpen.

Morcote am Luganersee auf der Nord-Süd Route
Morcote am Luganersee auf der Nord-Süd Route
Welt Explorer Team
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