Zugfahrt von Oruro nach Uyuni

Bahnreise in Südamerika, durch die grandiose Wüstenlandschaft auf dem bolivianischen Altiplano. Mit dem «Expreso del Sur» von der Bergbaustadt Oruro nach Uyuni an den Rand der Salzwüste Salar de Uyuni.

Die Karnevals- und Bergbaustadt Oruro

Das auf 3700 m gelegene Oruro ist keine reizvolle Stadt, aber für Reisende ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zur Erkundung des Südens von Bolivien. Die Stadt erlangte während der Kolonialzeit der Spanier als Zentrum der Silberproduktion eine wichtige Stellung. Nach dem Silberboom verhalf der Abbau von Zinn zu Wachstum und Wohlstand.

Oruro ist bekannt für seinen farbenfrohen Karneval, der im Februar oder März stattfindet. Umzüge, Volkstänze und Feierlichkeiten sorgen für ausgelassene Stimmung. Bei La Diablada (Tanz der Teufel) ist im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel los. Da treten die Tänzer mit aufwendigen Kostümen und Teufelsmasken auf. Mit dem bemerkenswerten Tanz huldigen die Bewohner von Oruro der Virgen del Socavón, der Jungfrau des Minenschachts, in Anspielung auf die langjährige Tradition als Minenstadt.

Fahrgäste im Bahnhof von Oruro
Fahrgäste im Bahnhof von Oruro bereiten sich auf die Zugfahrt vor.

Ab zum Bahnhof

Wir hielten auf einer Straßenkreuzung inmitten einem Wohnquartier. Ohne ein Wort stieg der Taxifahrer aus und wies uns an dasselbe zu tun. Kaum standen wir da, drückte er unsere Backpacks in die Arme. «Por allá», «dort drüben», deutete er knapp an. Obwohl er uns spanisch sprechen hörte während der Fahrt, war er wohl der Mann der knappen Worte. Taxifahrer sind eine ganz besondere Spezies Mensch, immer wieder faszinierend. Unsere Augen folgten seinem Zeigefinger, ohne auch nur die Anzeichen von einem Bahnhof oder Bahngleisen zu entdecken. Er wiederholte seine Aussage und verschwand dann im Eiltempo um die nächste Ecke.

Zugfahrt mit dem Expreso del Sur
Die Zugkomposition Expreso del Sur macht sich bald auf den Weg nach Uyuni.

Expreso del Sur

Also machten wir uns auf den Weg nach «dort drüben». Und tatsächlich befanden wir uns keine zwei Minuten später am Bahnhof von Oruro, dem Startpunkt der Zugreise mit dem «Expreso del Sur». Dieser Express des Südens verbindet die Silberstadt Oruro mit der Salzstadt Uyuni und fährt anschließend weiter über Tupiza bis ganz in den Süden des Landes, nach Villazón an der Grenze zu Argentinien.

Irgendwie hatten wir eine reisewütige Masse von Bolivianern erwartet, ein südamerikanisch unorganisiertes Durcheinander von Menschen, Tieren und Waren. Alle bestrebt einen möglichst guten Sitzplatz zu ergattern. Stattdessen ging alles sehr gesittet zu und her. Hier noch einen Snack bei einem ambulanten Verkäufer erstehen, dort eine innige Verabschiedung von Familienangehörigen.

Die grauen Waggons standen bereit. Mit gelben Lettern auf einem blauen Streifen prangte der Schriftzug: «Expreso del Sur». Das Landeswappen signalisiert den Stolz Boliviens auf seine langjährige Tradition im Schienenverkehr. Dank vorreservierten Plätzen konnten wir ungewohnt entspannt boarden und uns einrichten.

Fehlte nur noch die Lokomotive. Wahrhaftig in letzter Minute kam die Diesellok laut pfeifend angeschnauft. Rückwärts schmiegte sie sich an die Wagenkomposition. Und wer hätte das gedacht, außerordentlich pünktlich setzte sich der Zug in Bewegung in Richtung Süden.

Bolivianische Lokomotive im Bahnhof von Oruro
Bolivianische Lokomotive im Bahnhof von Oruro.

Der Poopó-See verschwindet

Erstaunlich rasch ließen wir die Urbanität der stattlichen Metropole Oruro hinter uns. Das Bahntrasse führte spektakulär entlang dem Lago Poopó. Der zweitgrößte See Boliviens wird vom Rio Desaguadero gespeist, dem Abfluss des größten Sees, dem Lago Titicaca.

«Der Klimawandel mit den damit verbundenen Dürrephasen ist schuld,» überhörte ich die Gesprächspartner vor mir, die Vater und sein erwachsener Sohn zu sein schienen.

«Weißt du noch, als im Jahr 2016 der See akut vom Austrocknen bedroht war?» Mit einer entsprechenden Geste mit seinen Händen deutete der ältere Herr über die am Waggonfenster vorbeiziehende Seenlandschaft. Ich konnte mir das schwer vorstellen. Doch verifizierte ich die Information später in einem lesenswerten Artikel der Deutschen Welle.

Tatsächlich ist von einer Naturkatastrophe die Rede, mit dramatischen Folgen für die Bewohner der Region Oruro und die auf das Wasser angewiesene Tierwelt. Der Vater redete sich richtiggehend in Rage und beschuldigte die Lokalpolitiker und die Regierung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales untätig zu sein.

Satellitenaufnahmen der NASA bestätigen den drastischen Rückgang des Wassers. Glücklicherweise war das folgende Jahr außergewöhnlich regenreich und der Wasserstand des Poopó-Sees konnte sich etwas erholen. Doch wie lange hält er sich noch? Umweltexperten sind skeptisch und prognostizieren das Verschwinden des Sees.

Genau jetzt genossen wir jedoch das Spektakel. Rund um die flachen, aber weitläufigen Seen konnten wir die gewaltige Ansammlung von bunten Flamingos beobachten, die sanft über die Wasseroberfläche stapften. Aufgescheuchte Vogelscharen begleiteten uns, um sich in sicherer Distanz wieder auf dem Wasser niederzulassen.

Flamingos begleiten den Zug
Flamingos begleiten den Zug beim Lago Popoó.

Alltag entlang der Bahnstrecke

Der Zug holperte mit einer steten, gemütlichen Geschwindigkeit über den bolivianischen Altiplano, die riesengroße Hochebene zwischen Oruro und Uyuni. Die Landschaft wechselte von Lagunen, zu Steppe und trockener Steinwüste. Nur kleine Bahnhöfe lagen auf der Strecke, als Teil von anderen verwahrlosten Häusergruppen, verloren im Niemandsland. Lamas hüpften weg von den Schienen, um dem Zug Platz zu machen. Kinder winkten uns zu und freuten sich über die Abwechslung des sonst monotonen Alltags.

Dorfbewohner
Ein Dorf und seine Bewohner entlang der Bahnstrecke im Niemandsland der bolivianischen Hochebene.

Wilfredo hat alles im Griff

«Wilfredo Camacho» stand auf dem Namensschild auf der gräulichen Uniform des Schaffners und Zugchefs. Er war für die Sicherheit und ordnungsgemäße Abwicklung der Bahnreise verantwortlich und hatte höchstpersönlich vor der Abfahrt noch einen roten Teppich in die Gänge der Eisenbahnwagen gelegt. Er versprühte spürbaren Stolz auf seinen Zug, so wie ich das als kleiner Junge mit meiner Märklin Modeleisenbahn empfand.

Mit der Prüfung der Tickets reichte er uns eine Papiertüte mit einem Saft und Keksen. Irgendwie schätzte er uns auch richtig ein und erwähnte die Verfügbarkeit von cervezas. Tatsächlich tauchte wenig später ein Mitarbeiter des Speisewagens auf und übergab die wohltuenden Bierbüchsen. Auf regelmäßigen Kontrollgängen erkundigte sich Wilfredo immer wieder nach dem Wohlbefinden der Passagiere und auf vielfache Bitte drehte er nach halber Fahrt auch endlich den lärmenden Fernseher ab.

Bolivianisches Fensterkino

Tatsächlich ist die Aussicht das Highlight der Zugreise. Die Gleise sind direkt in die malerische Naturlandschaft des Hochplateaus eingebettet. Auf der Fahrt zwischen Oruro und Uyuni ändert sich der sanft hügelige Hintergrund nicht drastisch, aber du kannst die weiten Ackerland- und Wiesenabschnitte betrachten, die von weit entfernten Gebirgszügen und dem fast durchdringend blauen, wolkenlosen Himmel begrenzt werden. Überall in dieser ruhigen Landschaft ziehen Herden von Lamas, Alpakas und Rindern umher, auf der Suche nach Futter auf der salzverkrusteten Ebene.

In einer ruhigen Minute anvertraute uns Wilfredo Camacho: «Ich wurde im Altiplano geboren, habe mein ganzes Leben im Altiplano verbracht und werde wahrscheinlich im Altiplano sterben. Aber ich werde dieser Ansicht nie müde.»

Die Weite bietet neben Ruhe und Glücksgefühle auch zahlreiche Fotomotive. Unser Sitzreihennachbar fummelte Nonstop an seiner teuren Fotoausrüstung. Das Objektiv kratzte wieder und wieder am Fenster, da der Fotograf das störende Glas zu ignorieren versuchte. Schlussendlich fand er draußen bei der Toilette und der Verbindungstüre zum nächsten Wagen seinen Stammplatz.  

Bahnreise mit dem Expreso del Sur
Bahnreise durch Südamerika, mit dem Expreso del Sur auf dem Weg von Oruro nach Uyuni.

Speis und Trank

Beim Betreten des Speisewagens waren wir gerüstet für einen einfachen Einheitsbrei. Wir staunten nicht schlecht bei der Entgegennahme der Speisekarte mit reichhaltigen Menüoptionen. Zugegeben, die Hälfte davon war nicht oder nicht mehr verfügbar. Doch was der Koch da alles aus seiner Kombüse zauberte, war bewundernswert, in Bezug auf die Qualität wie auch der Geschwindigkeit der Zubereitung. Nicht minder eindrücklich war der Kellner, der gekonnt die Ungleichheiten der Schienen ausbalancierend den Gang rauf und runter hetzte.

Während die anderen Wagen des Zuges meist ruhig und friedlich waren, um Filmzuschauer und schlafende Passagiere gleichermaßen unterzubringen, war das Ambiente des Speisewagens weitaus lebhafter. Laute Lacher und rege Gespräche erfüllten den Raum. Reisegruppen, Paare und neue Freunde aßen und tranken zusammen, während wir alle die Fahrt durch das Hochland Boliviens genossen.

Speisewagen im Expreso del Sur
Im Speisewagen herrscht reger Betrieb.

Der Konflikt mit dem Pazifischen Ozean

Wilfredo fand Gefallen an unseren Spanischkenntnissen und erzählte uns von seinem Traum, eines Tages mit der bolivianischen Eisenbahn bis ans Meer zu fahren. Etwas verdutzt schauten wir ihn an, bis er uns aufklärte. Die Ferroviaria Andina kokettiere mit der Idee, das Schienennetz über chilenisches Territorium bis nach Arica an die Pazifikküste zu verlängern.

Eine solche Ergänzung könnte bahnbrechende Auswirkungen auf den jahrzehntelangen Konflikt zwischen Chile und Bolivien haben. Ende des 19. Jahrhundert verlor Bolivien im sogenannten Salpeterkrieg seinen Zugang zum Pazifischen Ozean und wurde zum Binnenland. Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag versuchten die Bolivianer immer wieder in Chiles Norden ein Stück Land zurückzubekommen – bisher erfolglos. Ein eigener Hafen könnte Bolivien einen enormen Impuls für Handel und Export verschaffen, insbesondere für die asiatischen Märkte und China.

Eisenbahnlinie durch die Anden

«Zudem gibt es das Projekt der Transkontinentalbahn durch ganz Südamerika,» setzte der umtriebige Bahnangestellte seinen Diskurs fort. Auf einer Papierserviette skizzierte er kurzerhand die Umrisse des Kontinents. Er zeichnete die brasilianische Hafenstadt Santos ein und zog eine imaginäre Line des Bahntrasses quer durch Südamerika, über die beiden bolivianischen Großstädte Santa Cruz und La Paz bis an die Pazifikküste von Peru. Ob das ambitiöse Projekt je verwirklicht werden kann, steht noch in den Sternen. Lesetipp zur Transkontinentalbahn

Bahngleise in den Anden von Bolivien
Bahngleise führen in schnurgerader Linie durch die Anden in Bolivien.

In den Abend hinein

Wirkliche Sterne bekamen wir alsbald zu sehen, wir erlebten eine ganz besondere Abendstimmung. Die letzten Sonnenstrahlen streichelten die Hügelzüge und verliehen der Landschaft einen magischen Touch. Der Mond und Gestirne übernahmen die Nachtschicht. Das gedimmte Licht und das gleichmäßige Rattern des Zuges lullten viele Reisende ein. Und so mancher war froh, dass der Zugführer Wilfred rechtzeitig wieder auftauchte und uns die Ankunft in Uyuni ankündigte. Dazu ermunterte er uns augenzwinkernd, die dicken Jacken und Mützen hervorzukramen.

Und wie recht er hatte. «Harto frio!» vermeldete das Vater-Sohn-Gespann hinter uns. Welch eisige Kälte empfing uns in Uyuni, welcher Kontrast zu den heimelig geheizten Bahnwaggons. Südamerikanisch pünktlich entstiegen wir dem «Expreso del Sur» und trotteten mit unseren Rucksäcken durch die dunkle Nacht zu unserer Unterkunft.

Bahnreise durch das andine Hochland von Bolivien
Fantastische Abendstimmung, mit dem Gebirge der Anden im Hintergrund.

Uyuni, der Salzsee und der Zugfriedhof

Uyuni liegt verloren in der wüstenähnlichen Landschaft. Der Ort mit seinem Wild-West-Flair ist das Epizentrum für Reisende und Touristen die gerne die riesige Salzwüste Salar de Uyuni und den wunderschönen Südwesten Boliviens kennenlernen möchten.

Die einzige echte Attraktion von Uyuni ist der «Cementerio de Trenes», der Eisenbahnfriedhof. Eine Sammlung rostiger alter Dampflokomotiven und Waggons erinnern an lange vergangene Zeiten, als hier noch ein wichtiger Güterbahnhof war. Die Bahnstrecke diente dem Transport von Salz und Mineralien zwischen Chile und Bolivien.

Lokomotive auf dem Zugfriedhof bei Uyuni
Lokomotive auf dem Zugfriedhof bei Uyuni.

Reiseinformation Bahnfahrt

Zwischen Boliviens Metropole La Paz und Uyuni gibt es keinen Personenzug. Jedoch kannst du in La Paz ein Kombi-Ticket für Bus und Zug erstehen. Dabei legst du den ersten Teil bis Oruro im Bus zurück und anschließend fährst du mit dem Zug «Expreso del Sur» oder «Wara Wara del Sur» bis Uyuni.

  • Expreso del Sur: Abfahrt in Oruro erfolgt jeweils am Dienstag und Freitag um 15:30 Uhr. Ankunft in Uyuni ist um ca. 22:20 Uhr.
  • Wara Wara del Sur: Am Sonntag und Mittwoch fährt jeweils der «Wara Wara del Sur», mit Abfahrt in Oruro um 19:00 Uhr und Ankunft in Uyuni am nächsten Tag um 2:20 Uhr in der Früh.

Beide Zugskompositionen werden von der «Empresa Ferroviaria Andina» (FCA), der Bolivianischen Eisenbahngesellschaft betrieben. Die Bahnstrecke führt von Uyuni weiter über Tupiza bis nach Villazón an die Grenze zu Argentinien.

Die offizielle Webseite der «Ferroviaria Andina» ist nicht sonderlich hilfreich und nur auf Spanisch, jedoch sei eine neue Version in Bearbeitung. Immerhin ist eine Übersichtskarte vorhanden und der Link zum Kauf von Tickets und Fahrkarten: www.ticketsbolivia.com.bo

Jack Schulz
Der Weltentdecker Jack fühlt sich in den heimischen Alpen auf einem Trekking oder mit dem Mountainbike genau gleich wohl wie draussen in der weiten Welt. Seine längste Reise führte in über 5 Jahren von Kanada in die USA und nach Mexiko, durch ganz Mittelamerika und die Karibik bis tief runter nach Südamerika. Das Fernweh ist jedoch nicht kuriert. Die Passion für Outdoor Adventure und das Erkunden von neuen Ländern ist dominanter als je zuvor.