Welt Explorer Karl Günthard unterwegs in Südostasien

Der Welt Explorer Karl Günthard berichtet in seiner Reisereportage sehr treffend über das südostasiatische Land Kambodscha. Er erläutert wie die Lebensweise im Land, beobachtet die Leute und weiß über die Geschichte, Traditionen und Kulinarik zu erzählen.

Klar, da gibt es die Highlights von Kambodscha, wie die weltbekannte Tempelstadt Angkor Wat, ein Weltkulturerbe der Unesco. In Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh ist der königliche Palast ein Meisterwerk der Architektur. Oder die Strände bei Sihanoukville am Golf von Thailand ziehen die Reisenden an. Doch all diese Attraktionen sollen kein Thema sein heute. Vielmehr geht es in meiner Reisereportage um Land und Leute, um die Besonderheiten einer Reise durch Kambodscha.

Königspalast in Phnom Penh
Königspalast in Phnom Penh der Hauptstadt von Kambodscha.

Brillenträger sind potentielle Staatsfeinde

Kambodscha ist ein sehr dünn besiedeltes Land und das Schreckensregime der Roten Khmer trug das ihrige dazu bei. Ein Drittel der eigenen Bevölkerung wurde kurz nach dem Vietnamkrieg von den eigenen Landsleuten umgebracht. Das schrecklichste daran war, dass es meist Kindersoldaten waren, welche ihre eigenen Eltern oder Lehrer erschlugen, da Munition knapp war. Vor allem die geistige Elite wurde umgebracht, um dem erklärten Ziel, einen reinen Bauernstaat zu schaffen, näherzukommen. Wer sich nicht schnell genug seiner Brille entledigte hatte Pech. Ein Brillenträger galt als intellektuell und hatte somit keine Überlebenschance. Noch heute herrscht in Kambodscha ein Mangel an gut ausgebildeten Lehrkräften.

Schlafen bei kambodschanischer Grossfamilie

Da wir durch touristisches Niemandsland reisten, gab es auch nur selten öffentliche Unterkünfte. Dafür hatten wir die Chance, mit einer kambodschanischen Grossfamilie ihr einziges Zimmer zu teilen. Die Kambodschaner schlafen traditionsgemäss auf dem baren Hartholzfussboden. Und obwohl vor dem Einschlafen noch halbe Schulklassen an uns vorbeipilgerten, befanden wir uns in Minutenschnelle im Land der Träume. Für sie sind wir «Langnasen» genau so exotisch wie sie für uns. Den Gang in die WC-ähnliche Ecke des Hauses verschob ich wenn immer möglich auf die Morgendämmerung, denn die unzähligen Beine, welche da herumlagen, waren ohne Licht nur erahnbar.

Häuser auf Stelzen

Auf dem Land sind die Häuser auf Stelzen gebaut, um die Bewohner vor Hochwasser und giftigem Getier zu schützen. Es gibt auch viele Halbnomaden, welche weiterziehen, sobald sie von etwas gebissen wurden, was nach ihrer Vorstellung nur der Anfang einer langen Unglücksserie wäre. Moskitos gehören wohl nicht dazu, da man genötigt wäre jeden Tag weiterzuziehen. Mein Moskitonetz ist immer dabei, aber noch nie montiert worden. Wir haben die zur Montage benötigten Aufhängeösen schlichtweg vergessen und die Akkubohrmaschine auf diese Reise durch Kambodscha mitzunehmen erachte ich auch als etwas übertrieben.

Stelzenhaus auf dem Land
Typisches Stelzenhaus wie man es auf dem Lande oft antrifft.

Kein Englisch, dafür Dollar

Schade ist, dass meist keine Gelegenheit besteht, sich mit den Leuten zu unterhalten, denn sie sprechen wirklich kein Wort Englisch oder Französisch. Vor etwa 25 Jahren wurde der Gebrauch von Geld vom kambodschanischen Herrscher Pol Pot für etwa drei Jahre verboten. Heute ist der Dollar auch unter den Einheimischen die übliche Währung, um Geschäfte abzuwickeln.

Autofahren in Kambodscha

Auto fährt wer genügend lange Beine hat. Wer dann ein Jahr unfallfrei gefahren ist, bekommt gegen einen auszuhandelnden, variablen Betrag den Ausweis. Was wir auch immer wieder feststellen ist, dass in Asien viel konzentrierter und weniger aggressiv gefahren wird, als sagen wir einmal diplomatisch ausgedrückt, in Mitteleuropa. Oder doch etwas präziser ausgedrückt würden wir Schweizer in der Rangliste «aggressives fahren» im Gegensatz zum Fussball, im Final mitspielen.

Und ohne mich vorsätzlich in die Nesseln setzen zu wollen, behaupte ich, dass unsere Überreglementierung daran schuld ist, denn dadurch wird das Tragen von Eigenverantwortung überflüssig. Es ist grundsätzlich immer der andere schuld und man pocht bis zum überfahren werden auf sein verbrieftes Recht!

Karl Günthard auf kambodschanischem Markt
Karl Günthard (mit roter Jacke) im Element, als Reiseleiter mit seinen Gästen auf einem kambodschanischen Markt.

Nudeln, Nudeln und nochmals Nudeln

Tagwache war gezwungenermassen um 05:45 Uhr, da dann die Hunde zu bellen begannen. Wir gesellten uns an einer der unzähligen Nudelküchen zu den Einheimischen. Mit allen uns zur Verfügung stehenden Händen versuchten wir sie davon abzuhalten, der Nudelsuppe noch unzählige Innereien zur Verfeinerung beizumischen. Für sie eher unverständlich, da wir uns diese Leckereien doch leisten könnten.

Ein normales Nudelsüppchen kostet etwa 25 Rappen und abgerechnet wird auf Grund der Anzahl Teller, welche auf dem Tisch stehen. Gegessen wird entweder mit Stäbchen, aber noch häufiger mit Löffel links und Gabel rechts, nie mit Messer. Vorsicht ist bei den mit «Happy» angeschriebenen Mahlzeiten geboten, denn diese sind oft mit Hasch angereichert.

Kulinarische Tierwelt in Kambodscha

Während die Ochsen und Zebus zum Ziehen der grossrädrigen Holzkarren und zur Planierung der Reisfelder verwendet werden, knattern am frühen Morgen Dutzende von Motorräder an uns vorbei, welche auf einem quer liegenden Brett noch bis zu drei lebende Schweine, in Rückenlage angeschnallt, auf den Markt transportieren.

Auch die Hühner und Enten werden mit Stricken an den Beinen zusammengebunden und meist über den Lenker hängend, bis zu 30 an der Zahl in dieser eher unbequemen Lage zum Käufer gekarrt.

Dass es überhaupt Hühner gibt ist für mich ein Rätsel, denn die nicht ganz ausgebrüteten Eier, aber mit voll entwickeltem Huhn darin, werden roh als absoluter Leckerbissen von Gross und Klein genüsslich gegessen.

Kurz vor Phnom Penh wird eine Stadt als Spinnenstadt bezeichnet. Und nicht zu Unrecht, da frittierte Spinnen in allen Grössen und knusprig gebraten als Spezialität gelten. Frittierte Käfer anstelle unserer Erdnüsschen gelten als Appetitanreger und sind erst noch gesünder. Wenn du der Meinung bist, dass Westler gesünder aussehen als die Asiaten, nehme ich meine Behauptung zurück. Ein Übername für uns Westler ist in Asien übrigens auch «Elefant».

Motorrad in Kambodscha
Motorrad fahren ist noch beliebter als Auto fahren. Hier ist eine fliegende Händlerin unterwegs im ländlichen Kambodscha.

Die Khmer als Beladungsweltmeister

Die Lastwagen, Pick-Ups und Kleinbusse werden bis zum geht nicht mehr beladen. Der Ladevorgang kann Stunden dauern, denn alles muss bis zu doppelter Überbreite und Länge festgezurrt werden.

Einmal sassen wir bei einem Ausflug mit dem Auto in Richtung des berühmt berüchtigten Ho Chi Minh Pfades, während sechs Stunden mit 20 anderen Personen auf einem Kleinbus und konnten uns nur mit Mühe an den kreuz und quer gespannten Seilen festhalten. Bei einer Vollbremsung wären alle Dachpassagiere zu einem gemeinsamen Flug vor das fahrende Auto gestartet.

Überhaupt glich der ganze Bewegungsablauf von uns auf dem Dach des Wagens eher einem Ritt auf Pferderücken durch den wilden Westen als einer Autofahrt. Selbst unsere Gesichtshaut war nach der Fahrt infolge des aufgewirbelten Staubes so rot, dass ein waschechter Indianer vor Neid erblasst wäre!

Wirtschaft mit modernem Kolonialismus

Wurde der Mekong noch bis vor kurzem zum Gütertransport gebraucht, hat ihm leider die Strasse definitiv den Rang abgelaufen. Befreundete Nationen bauen Strassen und sogenannte «Friedensbrücken», um die zu Schundpreisen eingekaufte Ware, schnell und kostengünstig ausser Lande transportieren zu können. Zusätzlich verlieren unzählige Schiffsangestellte ihren Arbeitsplatz.

Früher waren es die Holländer, Engländer und in Kambodscha die Franzosen, welche zum selben Zweck Eisenbahnlinien von den fruchtbarsten Gebieten bis zu den Hochseehäfen bauten.

Innerhalb von Asien werden aber auch oft Gegengeschäfte getätigt. Aus Vietnam zum Beispiel finden unzählige nicht mehr gebrauchte Fahrräder den Weg nach Kambodscha, da in Vietnam das Scooter-Zeitalter angebrochen ist. Im Gegenzug fahren ganze Lastwagen mit Hunde nach Vietnam, da Hunde dort als Leckerbissen gelten.

Reisfeld in Kambodscha
Die Landwirtschaft und insbesondere der Anbau von Reis gehört zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen.

Kübelweise Geld

Die kambodschanischen Händler kennen keinen Geldbeutel. Sie stecken das Geld in eine leere Keksbüchse, einen Plastiksack oder einen Eimer, welcher über den feilgebotenen Produkten hängt. Das sind während eines ganzen Tages nicht unerhebliche Mengen. Die Händlerinnen schlafen dann in einer aufgehängten Hängematte, bis sie vom nächsten Kunden geweckt werden.

Sitten und Unsitten

Jedes Land hat seine eigenen Bräuche, Sitten und Unsitten. Ein kambodschanischer Coiffeur rasiert im Gegensatz zum vietnamesischen Kollegen nur mit Wasser und der blossen Klinge zwischen den Fingern. Immerhin ist die Elektrifizierung noch nicht so weit fortgeschritten, dass er wie sein thailändischer Berufskollege während des Rasierens auch gleich noch eine «Seifenoper» aus dem Fernseher mitreinzieht.

Unübersehbar ist, dass Kinder in Kambodscha spielen dürfen. Der Konsumrausch hat noch nicht eingesetzt, da der Markt zum Glück noch nicht ergiebig genug ist für den Westen und die Vereinigten Staaten. Ich bin jedoch der Meinung, dass China, Korea, Japan und Indien dem Westen auf dem Markt der Zukunft keine Chance lassen. Doch die Geschichte zeigt immer wieder, dass nie über einen längeren Zeitraum dieselben Almosenempfänger oder Almosengeber waren. Die Umstellung wird viele von uns hart treffen. Im Moment sind Gummitwist, Springseile, Billard und «Schlarpen werfen» die absoluten Renner.

Moto-Taxi bei Angkor Wat
Mit dem Moto-Taxi unterwegs bei Angkor Wat.

Vom Rülpsen, Kauen und Schnäuzen

Rülpsen, furzen, laute Kaugeräusche verursachen und schmatzen sind toleriert, ja gar höflich. Bei lautem Schnäuzen hingegen wird der Verursacher dieses nicht üblichen Geräusches mehr als strafend angeschaut. Habe jedoch noch nicht rausgefunden wie ich leise schnäuzen kann und die Nase trotzdem sauber wird.

Sicherheitslage in Kambodscha

Von der Sicherheit her ist es ungefährlich in Kambodscha zu reisen. Nur gegen die thailändische Grenz unternehmen immer noch ehemalige Rote Khmer Raubzüge. In abgelegenen Gebieten werden jährlich Hunderte von Personen getötet und verstümmelt, wenn sie auf die eingegrabenen Landminen treten. Überhaupt ist es ein Wahnsinn, was dieses Land alles erdulden musste. Die Amerikaner warfen mehr Bomben über Kambodscha ab, als über Europa während des 2. Weltkrieges.

Angkor Wat spiegelt sich im Wasser
Der Besuch der altehrwürdigen Tempelanlage von Angkor Wat gehört zu den Top-Highlights bei einer Reise nach Kambodscha.

Zöllner die pfeifen

Nach ungefähr fünf Wochen in Kambodscha verliessen wir dieses faszinierende Land mit den freundlichen Menschen auf einer roten Schotterpiste in Richtung Laos. Den Zollposten in einer kleinen Bretterbude habe ich dabei glatt übersehen und musste zurückgepfiffen werden. Zu meiner Entschuldigung sei aber auch erwähnt, dass der Zöllner, wie der verschlafene Gesichtsausdruck bewies, kurz zuvor noch in der Hängematte lag. Wir freuten uns nun auf die Fortsetzung der Reise durch Südostasien.

Karl Günthard
Karl Günthard hat schon über 200 verschiedene Berufe in den unterschiedlichsten Ländern der Welt ausgeübt. Der gelernte Sanitärinstallateur arbeitete unter anderem als Tellerwäscher, Kohleminenarbeiter, Gletscherpilot, Wurstverkäufer, Zugführer, Reiseleiter und Kabelträger beim Fernsehen. Seine grosse Passion jedoch ist das Reisen, das Entdecken und Erleben von Land und Leute, wie er eindrücklich zu schildern weiss.